Zum Material von Alma Mahler

Die Briefe von Alma Mahler

verfasste bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges Anfang August 1914 158 Schreiben an , zu denen fast ausnahmslos auch die Umschläge überliefert sind. Üblicherweise verwendete sie dabei ihr eigenes Briefpapier mit einem orangefarbenen, dunkelblauen oder schwarzen Monogramm aus den stilisierten Initialen ihres Namens, das auch auf ihren Briefkarten zu finden ist. Der Entwurf des Monogramms wurde bisher zugeschrieben (laut , S. 23, Anm. 21 mit Verweis auf „, Die Bildnisse von , Leipzig – Wien 1922“). Jedoch befindet sich im Museum für angewandte Kunst () in Wien eine Sammlung von Monogrammen, darunter auch das von Briefpapier. In der Online-Sammlung des wird eine Zuschreibung an vorgenommen, was nicht abwegig erscheint, aber auch nicht eindeutig belegbar ist (, Inv.-Nr. WWGG 769-5, ID 261534). beschrieb darüber hinaus Briefpapiere und Umschläge von Hotels, die sie oder ihr von früheren Reisen mitgebracht hatten, außerdem wenige Postkarten. In seltenen Fällen findet sich ersatzweise kariertes Papier oder Notenpapier. Ihre Briefe umfassen zumeist mehrere, manchmal durchnummerierte Seiten mit Anrede, seltener Datums- oder Wochentagsangabe.

Charakteristische Merkmale sind violette Tinte und ihre raumgreifende Schrift. Nur selten verwendete sie schwarze Tinte, manchmal einen Blei- oder Buntstift. Heute nicht mehr an den Originalen nachzuempfinden, hatte gelegentlich das Papier mit ihrem Parfüm eingesprüht. In den Briefen erwähnte Beilagen sind nur noch wenige erhalten, konnten jedoch zumeist zugeordnet werden. Anders verhält es sich mit Telegrammen, von denen heute nur noch einige wenige vorliegen.

Die Korrespondenz wird zudem durch neun Mitteilungen von Mutter, , an in Form von Briefen und Briefkarten ergänzt, die zumeist ebenfalls in Kuverts steckten.

Die Umschläge und ihre Besonderheiten

Die Briefumschläge weisen durch das aus heutiger Sicht in der Regel ungewöhnlich schmale Format (in einzelnen Fällen wurden auch größer dimensionierte Umschläge verwendet, die nicht zu Briefpapier gehörten, z. B. um Beilagen größeren Formats zu berücksichtigen) und die charakteristische Schrift einen besonderen Objektcharakter auf. Darüber hinaus geben sie vor allem wesentliche Hinweise zu Aufenthaltsorten von und , Postlaufzeiten und anderen Aspekten der Korrespondenz, vor allem darüber, wann und wie ihre Briefe versandte.

Beinahe keiner der Umschläge weist einen Absender auf, dafür einzelne Male die Chiffre A.M. 40 für Postlagerung (poste restante). Um den Briefwechsel vor ihrem zu verheimlichen, musste gewisse Vorkehrungen beim Versand der Briefe treffen. Anhand der Datierungen ihrer Briefe in Verbindung mit den Poststempeln der Umschläge lässt sich eruieren, dass manchmal tagelang nichts zur Post brachte oder dort abholte, die sich zudem in den Jahren 1910 und 1911 fast immer in größerer räumlicher Distanz zu ihrer Wohnung befand. Während ihres Aufenthaltes in Toblach im Sommer 1910 bediente sie sich daher eines Botenjungen.

Die Umschläge, teilweise auch in Verbindung mit den entsprechenden Briefen, lassen außerdem erkennen, dass einen großen Teil ihrer Nachrichten selbst frankierte und dafür eine Briefwaage besaß. (Heute abgelöste Briefmarken auf den Umschlägen ihrer Briefe offenbaren an manchen Stellen von der Hand notierte Portokosten. Das zuweilen durch genaue Beschneidung des Briefpapiers reduzierte Gewicht der Blätter weist darauf hin, dass dabei manchmal sehr akribisch vorging.) Durch die Frankierungen und das Gewicht der Briefe lassen sich heute fehlende Beilagen rekonstruieren. Hinzu kommen verschiedene Notate auf den Umschlägen, die teilweise von Postbeamten stammen und unzureichende Frankierung oder Weiterleitung markieren. Für die Korrespondenz besonders interessant sind die Vermerke, die auf den Umschlägen notierte (Zum Material von Walter Gropius). Unbeschriebene oder unfrankierte Umschläge hingegen lassen auf eine persönliche Übergabe des Briefes und dementsprechend ein Treffen oder räumliche Nähe zwischen und schließen.

Alma Mahlers Schreibstil und -prozess

Im Gegensatz zu , der seine Briefe in ausführlichen Entwürfen vorbereitete, schrieb ihre Gedanken unmittelbar nieder, verborgen vor den Augen ihres . Viele ihrer Briefe mussten deshalb nachts im Bett entstehen oder hastig, in der Eile, oft ohne zu überlesen, was sie geschrieben hatte. Ein weiterer Beleg für den unmittelbaren Schreibfluss sind die Postskripta, in denen mehrfach und an unterschiedlichen Stellen ihre Gedanken noch um zusätzliche Aspekte ergänzte.

Dementsprechend finden sich kaum Überarbeitungen in der Form von Korrekturen oder Durchstreichungen. Sehr häufige Unterstreichungen, meistens mehrfach, verleihen den einzelnen Worten Emphase. Ein besonders aussagekräftiges nonverbales Stilmittel stellen auch die vielen Gedankenstriche dar, die teilweise in langer Reihe Passagen dramatischen Nachdruck verleihen, jedoch auch ureigene Sicht auf das Schweigen, die Pause nach dem Wort offenbaren. So heißt es in AM8: Es ist viel leichter über Heiligstes zu schreiben – als zu sprechen. Da man nicht gewöhnt ist, mit hohen Worten zu sprechen – fürchtet man, dass sie phrasenhaft klingen und lauscht dem noch lange nach – den Ton auf seine Echtheit prüfend . . . . Überhaupt – was liegt nicht alles in dem Schweigen nach einem bedeutungsvollen Wort. Im Vergleich zu , der nach eigenen Aussagen oft um die richtigen Worte ringen musste, fiel es offensichtlicher leichter, ihre Gefühle in Worten auszudrücken. Ausgreifende Fragezeichen bzw. Buchstaben am Ende einer Passage oder ausgeschmückte Anfangsbuchstaben, teilweise kalligrafierte Schrift überhaupt, gehörten ebenso zu ihren Stilmitteln.

s unmittelbare und gleichzeitig vielschichtige Art, sich in ihren Briefen auszudrücken, unterstreicht den spontanen Charakter dieser Primärquellen. Im Gegensatz dazu stehen die wenigen unkenntlich gemachten Passagen. Denn beim Überlesen ihrer Zeilen entschloss sich dazu, gewisse Satzteile nicht nur zu streichen, sondern den Inhalt mit rundlichen Kringeln, die ihrer Handschrift zum Verwechseln ähnlich sehen, komplett unleserlich zu machen. Da aufgrund heutiger Untersuchungsmethoden am digitalisierten Original neue Möglichkeiten des Entzifferns zur Verfügung stehen, konnte an einzelnen Fällen nachgewiesen werden, dass es sich nicht einfach um Rechtschreib- oder Satzbaufehler, sondern um spontan geäußerte und damit besonders authentische Inhalte handelte, die sie vor verbergen wollte.